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Projekt des Monats


#3/2021
Entwicklung nährstoffarmer Lebensräume im Schwarzen Meer

Der Mittlere Sonnentau (Drosera intermedia) im Naturschutzgebiet Schwarzes Meer

Der Mittlere Sonnentau (Drosera intermedia) im Naturschutzgebiet Schwarzes Meer © Thomas Kutter

Im Landkreis Wittmund in Ostfriesland befindet sich das etwa 15 Hektar große Naturschutz- und FFH-Gebiet „Schwarzes Meer“. Im Zentrum liegt der gleichnamige See, welcher der einzige Grundmoränensee dieser Region ist. Flächeneigentümer ist der NABU Niedersachsen e.V. Die Ökologische NABU-Station Ostfriesland (ÖNSOF) betreut das Gebiet und ist Projektpartnerin des IP-LIFE Atlantische Sandlandschaften.

Das Schwarze Meer ist ein ursprünglich sehr nährstoffarmes Stillgewässer mit Lebensräumen der Strandlingsgesellschaften (LRT 3110) und Übergangsmooren (LRT 7140), welches von weiteren nährstoffarmen Lebensräumen wie Borstgrasrasen (LRT 6230) und Heideflächen umgeben ist.

Das Naturschutzgebiet beherbergt gefährdete Pflanzenarten wie den Mittleren Sonnentau (Drosera intermedia), Rosmarinheide (Andromeda polifolia), Mondraute (Botrychium lunaria), Hundsveilchen (Viola canina), Quendelblättriges Kreuzblümchen (Polygala serpyllifolia) und Großes Zweiblatt (Listera ovata). Das Heuschreckenvorkommen beinhaltet Rote-Liste-Arten wie Kurzflügelige Schwertschrecke (Conocephalus dorsalis), Dünnfühler-Dornschrecke (Tetrix tenuicornis), Bunter Grashüpfer (Omocestus viridulus) und Weißrandiger Grashüpfer (Chorthippus albomarginatus). Als besondere Schmetterlingsvorkommen sind Malven-Würfelfleckfalter (Pyrgus malvae), Spiegelfleck-Dickkopffalter (Heteropterus morpheus) und Grünwidderchen (Zygaenidae, Unterfamilie Procridinae) zu nennen.

Der See mit seinen besonderen Strandlingsvorkommen ist seit den letzten Jahrzehnten verschiedenen negativen Einflüssen und Gefährdungen ausgesetzt. Nach dem Verschluss von Entwässerungseinrichtungen verschlammte das Schwarze Meer. Hierbei spielte Laubeintrag ebenso eine Rolle wie das Auftreiben von Torfsubstraten und die Entwicklung von Torfmoosen. Letztere verdrifteten in der Hauptwindrichtung und lagerten sich in den Uferbereichen ab, die früher Wuchsorte des Strandlings waren. Mit der Entwicklung von Torfmoosen ging auch eine zunehmende Versauerung einher. Es besteht die Vermutung, dass möglicherweise der Basenpuffer im Umfeld des Schwarzen Meeres aufgezehrt ist. Hierbei könnten auch die Versauerungseffekte als Folge des sauren Regens mit dem Eintrag von Schwefelsäure eine Rolle spielen. Zuletzt war der Strandling kurz nach der Jahrtausendwende nachgewiesen worden, spätere Kontrollen erbrachten keine Nachweise mehr.

Um die negativen Entwicklungen im Gewässer aufzuhalten und umzukehren, sollte im Rahmen des IP-LIFE das Gewässer entschlammt werden. Die außergewöhnlich langanhaltende Dürreperiode im Frühjahr und Sommer 2018 kam einer Ausschreibung dieser Maßnahme jedoch zuvor. Durch die geringen Niederschlagsmengen war das Gewässer das erste Mal seit etwa 20 Jahren ausgetrocknet, sodass sich die Möglichkeit bot, kostengünstig durch Baggerarbeiten den Schlamm aus dem Gewässer zu holen. Der Landkreis Wittmund übernahm spontan die Beauftragung der Entschlammung. Die mehr als 900 Kubikmeter Schlamm wurden randlich am Ufer abgeladen und später aus Mitteln des IP-LIFE abgefahren.

Mit verantwortlich gemacht für das Verschwinden des Strandlings wurde aber auch die aufgrund der hochwüchsigen Gehölze fehlende Offenheit des Gewässers. Dies führte zu veränderten Windverhältnissen und einer Windberuhigung; die Uferdynamik war reduziert. Dies kann eine höhere Kohlendioxid-Konzentration im Wasser nach sich ziehen, was ebenfalls einer Versauerung des Gewässers Vorschub leistet. Auch im Naturschutzgebiet westlich des Schwarzen Meeres vorkommende Borstgrasrasen waren durch angrenzende Gehölze von Beschattung und Laubakkumulation bedroht.

Zum Erhalt und der Entwicklung beider Lebensraumtypen wurden auf etwa 2,1 Hektar, auf über das Naturschutzgebiet verteilten Flächen, im Januar und Februar 2019 die Gehölze entfernt. Zur Förderung von Amphibien- und Reptilienverstecken wurde nicht das ganze Gehölzmaterial abgefahren, sondern mehrere Holzstapel aus Meterstücken Stammholz verteilt im Gebiet angelegt.

Zusätzlich sollte das Borstgrasrasen-Vorkommen auf die Flächen südlich des Schwarzen Meeres ausgedehnt werden. Nach einer kurzzeitigen ackerbaulichen Nutzung in den 1990er-Jahren war die Fläche bereits in extensiv genutztes, ungedüngtes Grünland entwickelt worden. Ein bereits im Jahr 2000 erstelltes Pflege- und Entwicklungskonzept empfahl, den humosen Oberboden abzutragen. Diese Idee wurde durch die Ökologische NABU-Station Ostfriesland und das IP-LIFE Atlantische Sandlandschaften wieder aufgegriffen: Zu Beginn des Jahres 2020 wurden die Erdarbeiten durchgeführt. Neben dem Abtrag des Oberbodens wurde zusätzlich der sandige Untergrund modelliert, sodass ein bewegteres Relief entstand, welches Arten mit unterschiedlichen Ansprüchen an Licht und Feuchtigkeit einen Lebensraum bietet. Auf diese Weise sollen Borstgrasrasen entwickelt und zugleich Nährstoffeinträge in das Schwarze Meer reduziert werden. Als unerwarteter Nebeneffekt zeichnet sich ab, dass die entstandenen Geländemulden aufgrund einer darunterliegenden stauenden Schicht bemerkenswert gut das Niederschlagswasser halten. Hierdurch könnten willkommene Laichgewässer für die in der nahen Umgebung noch vorkommende Kreuzkröte (Bufo calamita) entstanden sein, was sich im Laufe des kommenden Frühjahrs zeigen wird. Die Art war in den 1980er-Jahren bereits für das Gebiet gemeldet worden, gehörte aber zuletzt nur noch gelegentlich zur bodenständigen Amphibienfauna.

Blick über das Schwarze Meer

Blick über das Schwarze Meer © Thomas Kutter, 2018

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