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Projekt des Monats


#1/2018 ERHALTUNGSZUCHT FÜR DIE KNOBLAUCHKRÖTE
Rettung für die „Kartoffeltrolle“

Knoblauchkröte

Diese Knoblauchkröte wurde im vergangenen Jahr in Braunschweig bei der Kartoffelernte auf einem Acker ausgegraben - dieser war anschließend eigentlich als Baugebiet vorgesehen. © NABU Naturschutzstation

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Die Knoblauchkröte (Pelobates fuscus) lebt die meiste Zeit des Jahres eingegraben in lockeren Böden. Auf Grund dieser heimlichen und versteckten Lebensweise gilt sie als eine der am schwierigsten zu erfassenden Amphibienarten. In Deutschland erreicht die Art ihre westliche Verbreitungsgrenze und wird auf der Roten Liste als „stark gefährdet“ eingestuft. In Niedersachsen gilt die Knoblauchkröte als „gefährdet“, in Nordrhein-Westfalen sogar als „vom Aussterben bedroht“. Die Art ist hier nur noch sehr punktuell mit recht weit voneinander entfernten Vorkommen verbreitet. Der Bestand im früheren Verbreitungsschwerpunkt im Münsterland in der sandgeprägten Emsaue ist stark rückläufig; zahlreiche frühere Vorkommen sind bereits verschwunden oder nur noch mit wenigen Tieren besetzt.

In der atlantischen Region Deutschlands wird die Art im FFH-Bericht 2013 mit einem ungünstigen Erhaltungszustand und negativen Trend gegenüber 2007 bewertet. Der beobachtete Rückgang der Art ist aller Wahrscheinlichkeit nach mit den intensiven landwirtschaftlichen Anbaumethoden im Hinblick auf Flurbereinigung und den direkten Verlust von Laichgewässern und terrestrischen Strukturelementen verbunden. Zudem zählt die Knoblauchkröte laut der Pilotstudie „Klimawandel und Biologische Vielfalt in Nordrhein-Westfalen“ (2009) zu den „potenziell negativ beeinflussten Arten“ durch den Klimawandel. Die geringe Mobilität der Art erschwert das Abwandern und erfolgreiche Besiedeln neuer Bereiche – im Mittel liegt der Aktionsraum in einem Bereich von 100 bis 500 Metern und nur in Einzelfällen konnten Wanderungen von mehr als zwei Kilometer Länge nachgewiesen werden. Aus diesem Grund sind lebensraumverbessernde Maßnahmen und eine großflächige Vernetzung der einzelnen Vorkommen extrem wichtig. Im Rahmen des IP-LIFE sind zahlreiche entsprechende Optimierungsmaßnahmen für die Art geplant.

Knoblauchkröte

Diese jungen Knoblauchkröten aus der Zuchtstation in Enniger wurden am 22. August 2017 in den Bielefelder Rieselfeldern Windel ausgesetzt. © Bezirksregierung Münster

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Ein weiterer Ansatz, um kleinste Restvorkommen zu stabilisieren, ehemalige Vorkommen zu reaktivieren oder in Einzelfällen die Art in neuen Gebieten innerhalb des Gesamtverbreitungsgebietes zu etablieren, sind Wiederansiedlungen. Hierzu wurde bereits in einem früheren LIFE+ Projekt (LIFE11 NAT/DE/348 „Schutz der Knoblauchkröte in Teilen des Münsterlandes“, Laufzeit 2012 bis 2016) von der NABU-Naturschutzstation Münsterland gemeinsam mit dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) und den Kreisen Warendorf und Borken ein Rettungszuchtprogramm etabliert. Dieses wird im Rahmen des IP-LIFE weiterentwickelt und voraussichtlich über die ersten beiden Projektphasen fortgeführt.

Vorläufige Daten genetischer Untersuchungen mitteleuropäischer Knoblauchkrötenpopulationen zeigen eine nur geringe Populationsdifferenzierung (Eils 2016). Daher werden für die Zucht an unterschiedlichen Standorten in Nordrhein-Westfalen adulte Tiere mit Hilfe von Fangzäunen eingesammelt. Dabei wird darauf geachtet, die ursprüngliche genetische Vielfalt möglichst zu erhalten und einer genetischen Verarmung entgegenzuwirken.

Zuchtstation in Enniger

Gruppenfoto

Michael Bisping und Franz Kraskes vor den Hälterungsbecken in der Zuchtstation in Enniger © NABU Naturschutzstation

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Die Zuchtstation in Enniger im Kreis Warendorf wird von Michael Bisping und Franz Kraskes betreut. Die Haltung erfolgt in Rundformbecken mit einem Fassungsvermögen von etwa 6.000 l Wasser, die überwiegend unter freiem Himmel stehen. In den Becken sind Blumentöpfe und Bambusstäbe vorhanden, die den natürlichen Ablaichstrukturen der Knoblauchkröten entsprechen. Bei Wassertemperaturen von mehr als 18 °C erfolgt das Ablaichen. Danach werden die adulten Tiere wieder aus den Rundbecken entfernt.

Die resultierenden Laichschnüre können jeweils bis zu 2.500 Eier aufweisen. Die Hülle, die die Eier umgibt, löst sich nach einigen Tagen auf. Während der ersten Entwicklungsstadien ernähren sich die Larven von den Resten des Dottersacks. Danach fressen sie die in der Kahmhaut auf der Wasseroberfläche enthaltenen Mikroorganismen, wie Pantoffeltierchen und Grünalgen, sowie Wasserflöhe. Ältere Kaulquappen ernähren sich überwiegend von Pflanzen, die nicht zu viele Bitterstoffe enthalten, und werden in der Zuchtstation mit Wasserlinsen, Wildkräutern und Salat aus biologischem Anbau gefüttert. Die besten Aufzuchtergebnisse zeigten sich, wenn bei maximaler Körpergröße nicht mehr als 300 Quappen in einem Rundformbecken gehalten wurden.

Laichschnüre

Die Laichschnüre werden an den vertikalen Strukturen, die in den Becken enthalten sind, angeheftet. © NABU Naturschutzstation

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Kurz vor der Metamorphose werden die Kaulquappen in Becken umgesetzt, die mit einem Wasserbereich und einem Landteil mit gut grabfähigem Bodensubstrat ausgestattet sind. Die Nachzuchten werden vor oder während der Metamorphose, d. h. mit Hinterbeinen und in der Regel noch nicht durchgebrochenen Vorderbeinen, teilweise aber auch bereits als fertig umgewandelte Jungkröten, in die optimierten Lebensräume ausgebracht, um so eine Prägung auf das „Heimatgewässer“ sicherzustellen. Die Knoblauchkröte bevorzugt als Landlebensraum offene Bereiche in der Nähe geeigneter Laichgewässer mit lockeren Böden, in die sie sich tief eingraben kann. Als Laichgewässer werden stehende Gewässer bevorzugt, die nicht austrocknen, nicht zu flach und halbschattig bis besonnt sind und Wasserpflanzen zur Befestigung der Laichschnüre aufweisen.

Die geplanten (Wieder-)Ansiedlungsgebiete wurden vorab nach Tauglichkeit als Lebensraum für die Knoblauchkröte untersucht, wobei neben den Lebensraumansprüchen auch die langfristige Verfügbarkeit und Schutz der Flächen eine große Rolle spielen. Diese Risiko- und Machbarkeitsanalyse wurde gemäß der IUCN-Richtlinien für Wiedereinbürgerungen (2013) durchgeführt. Für die erste Projektphase ist die (Wieder-)Ansiedlung in fünf Gebieten innerhalb des ursprünglichen Verbreitungsgebietes in Nordrhein-Westfalen geplant: im Langenbergteich (Paderborn), in der Lippeaue (Lippstadt und Lippstadt-Eickelborn), im Wulfesknapp/Krähenbrink (Lippetal Hovestadt) und in den Rieselfeldern Windel (Bielefeld). Im vergangenen Jahr wurden bereits mehrfach nachgezüchtete Kaulquappen und umgewandelte Jungkröten in den Rieselfeldern Windel sowie Kaulquappen in den Soester Lippeauen ausgesetzt.

Gruppenfoto

Dr. Sebastian Schmidt (Projektleiter IP-LIFE) und Michael Bisping (NABU-Aufzuchtstation für Knoblauchkröten in Enniger) bei der Aussetzaktion am 22. August 2017 © Bezirksregierung Münster

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Um die mittelfristige Wirkung der Aussetzaktionen zu ermitteln, wird in den Folgejahren ein sogenanntes Monitoring durchgeführt. Hierzu werden Zählungen beispielsweise mit Hilfe von Amphibienfangzäunen durchgeführt oder über nächtliche Besuche der Laichgewässer zur Paarungszeit die Anzahl der rufenden Männchen ermittelt.

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