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Projekt des Monats


#03/2023 FACHTAGUNG MIT WORKSHOP
Entnahme und Verwertung von Bodenmaterial bei Naturschutzmaßnahmen

Stuhlreihen mit Gästen der Fachtung

Rund 80 Teilnehmende folgten den Vorträgen der Expert:innen aus verschiedenen Fachbereichen. © Bezirksregierung Münster

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Am 9. Februar 2023 führte das IP-LIFE Atlantische Sandlandschaften in Kooperation mit der Natur- und Umweltschutzakademie NRW (NUA) erneut eine Fachtagung mit Workshop durch. Die Idee zu dieser Veranstaltung war entstanden, da im Rahmen des IP-LIFE eine Vielzahl unterschiedlicher Naturschutzmaßnahmen umgesetzt wird, bei der Bodenmaterial entnommen und wiederverwendet werden soll. Dabei sehen sich das Projekt-Team und die lokalen Beteiligten vor Ort gelegentlich vor große Herausforderungen gestellt: von den erforderlichen Genehmigungen für den Eingriff über die notwendigen Bodenanalysen bis zur geeigneten Wiederverwendung des Materials. Der Zeitbedarf und die resultierenden Kosten übersteigen häufig das zur Verfügung stehende Budget, so dass es immer wieder vorkommt, dass naturschutzfachlich wichtige Maßnahmen nicht oder nur teilweise umgesetzt werden können. Ziel der Veranstaltung war es daher, viele Interessierte für einen Erfahrungs- und Wissensaustausch zusammenzubringen und Hilfestellung für die praktische Durchführung zu leisten.

Zur besseren Planung und Einschätzung der vorhandenen Kenntnisse und Erwartungen war den Teilnehmenden bzw. den lokalen Projektbeteiligten des IP-LIFE im Vorfeld zusammen mit dem Veranstaltungshinweis ein Link zu einer Online-Umfrage über Lime-Survey geschickt worden. Vierzig Personen füllten den Fragebogen mit zwölf kurzen Fragen vollständig bis zum Ende aus und gaben dabei mit großer Mehrheit an, auch an der Veranstaltung teilnehmen zu wollen. Knapp die Hälfte der Veranstaltungs-Teilnehmenden dürfte somit eine Rückmeldung gegeben haben. Aufgrund des abgefragten Tätigkeitsbereichs dürften die Antworten zumindest für die Beschäftigten von Biologischen Stationen oder Unteren Naturschutzbehörden ein repräsentatives Bild widerspiegeln.
Mehr als zwei Drittel der Antwortenden kreuzten an, dass sie noch keine Erfahrungen mit der Beauftragung von Bodenanalysen hätten. Nur vier Personen gaben an, sich bereits gut in dem Themenfeld auszukennen. Ein vergleichbares Ergebnis zeigte sich hinsichtlich der Frage nach den bisherigen Erfahrungen im Bereich „Genehmigungen Bodenschutz“: Die Hälfte der Antwortenden gab an, noch keine Erfahrung damit zu haben, fast ebenso viele gaben an, sich unsicher zu sein, wie ein Verfahren ablaufen sollte, und nur drei Personen gaben an, sich bereits gut damit auszukennen. Bei der Bewertung des benötigten Zeitaufwandes für bodenspezifische Belange gaben jeweils rund 42 Prozent an, dass die Maßnahmenumsetzung nie oder zumindest nur gelegentlich daran scheitern würde. Immerhin 15 Prozent gaben aber an, dass der benötigte Zeitaufwand häufig zum Scheitern einer Maßnahme führen würde. Kritischer wurde der Kostenfaktor für die Verbringung des Bodenmaterials bewertet: Die Hälfte aller Antwortenden gab an, dass die Kosten gelegentlich eine Umsetzung verhinderten; weitere 35 Prozent gaben an, dass dies sogar häufig der Fall sei.

Bezüglich der als Freitext zu nennenden Themen, die im Workshop berücksichtigt werden sollten, zeigte sich die gesamte Bandbreite der Erwartungen: von der Darstellung rechtlicher Rahmenbedingungen und aktueller Änderungen über allgemeine Verfahrensabläufe und sonstigen fachlichen Input wurden insbesondere praktische Aspekte, wie Kriterien für Verwertung bzw. Entsorgung des entnommenen Bodenmaterials, Hinweise zur Kostenberechnung, allgemeiner Erfahrungsaustausch mit der Hoffnung auf weitere Anregungen und Vermittlung von Kontakten sowie die Vorstellung von Best-Practice-Beispielen genannt.

Rund 80 Teilnehmer:innen begaben sich am Veranstaltungstag in die NUA nach Recklinghausen – größtenteils Beschäftigte aus den Unteren Naturschutzbehörden und den Biologischen Stationen sowie aus den Unteren Bodenschutzbehörden, aus der Wasserwirtschaft, von Planungsbüros und aus (Naturschutz-)Verbänden. Nach der Begrüßung durch NUA-Leiter Norbert Blumenroth, Dr. Martina Raffel im Namen des IP-LIFE-Teams und Moderatorin Eva Pier folgte der live zugeschaltete Vortrag von Dr. Ute Hamer vom Institut für Landschaftsökologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster mit dem Titel „Schutzwürdigkeit der Ressource Boden“. Sie erläuterte allgemeine Aspekte zu diesem wertvollen Schutzgut und betonte insbesondere die Bodenfunktion als Wasser- und Kohlenstoffspeicher. In der Bewertung der Bodenqualität und der Erhaltung bzw. Rehabilitation der Bodenfunktionen für die Biotopentwicklung können zwischen den verschiedenen Akteuren gelegentlich Konflikte entstehen. Wie so oft liegt der Schlüssel für ein erfolgreiches Zusammenspiel in einer deutlichen Kommunikation der Ziele und differenzierten Erklärung der geplanten Maßnahmen.

Im folgenden Vortrag „Anforderungen an den ordnungsgemäßen Umgang mit Bodenmaterial: DIN 19731 „Verwertung von Bodenmaterial und Baggergut“ gab Dr. Katrin-Nannette Scholz vom Umweltbundesamt einen detaillierten Einblick in die Überarbeitung der im Mai 1998 erstmals veröffentlichten DIN-Norm. Deren vollständige fachliche und redaktionelle Bearbeitung wurde 2018 durch einen 13-köpfigen Arbeitskreis unter ihrer Leitung aufgenommen. Die Anforderungen an die Verwertung bzw. Wiederverwendung von Baggergut/ Bodenmaterial werden in der neuen Norm soweit wie nötig und möglich beschrieben. Die Struktur der Norm soll die logische Vorgehensweise bei der Verwertung bzw. Wiederverwendung von Bodenmaterial wiederspiegeln. Die endgültige Veröffentlichung wird für das Frühjahr 2023 angestrebt.

Heribert Tenspolde von der Bezirksstelle für Agrarstruktur Münsterland der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen erläuterte in seinem Vortrag „Bodenverwertung aus Sicht der Landwirtschaft – Anforderungen, Chancen und Grenzen“ die Perspektive für eine potentielle landwirtschaftliche Verwertung entnommenen Bodenmaterials. Anhand zahlreicher Beispiele aus seinem langjährigen Erfahrungsschatz ging er auf die zu beachtenden Aspekte und immer wieder auftretende Probleme ein. Auch hier zeigte sich, dass eine frühzeitige Beteiligung aller Akteure und eine Folgenabschätzung für eine optimale Verwertung des Bodenmaterials unerlässlich sind.  

Den Abschluss der Vormittagsrunde bildete Dr. Norbert Feldwisch vom Ingenieurbüro Feldwisch zum Thema „Bodenentnahme aus Sicht des vorsorgenden Bodenschutzes – verträglich oder schädlich für das Naturgut Boden?“. Auch er zeigte zunächst die Funktionen, Schutzwürdigkeit und Empfindlichkeit des Schutzgutes auf und betonte dabei insbesondere die Eigenschaften als belebte Naturräume. Ein Bodenabtrag stelle immer einen immensen Eingriff in das Gefüge ein – von der Verringerung der Wasserspeicherung über Verdichtungsschäden, CO2-Emissionen durch Baumaschinen, Humusabbau bis zur erhöhten Erosionsgefahr und weitgehenden Beseitigung des Bodenlebens. Er plädierte bei naturschutzfachlich motivierten Bodenabträgen für eine gründliche Prüfung im Einzelfall: Nicht alle Böden sind geeignet und Voraussetzung muss stets ein bodenschonender Abtrag und eine hochwertige Verwertung des Materials sein. Kommunikation mit allen Beteiligten und die Berücksichtigung ihrer Belange kann drohende Konflikte mit Bodenschutz und Landwirtschaft verhindern. 

Hartwig Dolgner vom Landesbetrieb Wald und Holz NRW referierte über die Herausforderungen der Bodenverwertung bei der Anlage von Feuerlöschteichen im Wald. Die letzten Jahre mit starker Dürre und großen Waldbränden haben die bestehende Problematik sichtbar werden lassen: Nicht in allen Wäldern steht den Feuerwehren gleichmäßig Löschwasser aus Talsperren, Seen oder Flüssen zur Verfügung. Deshalb sollen künstlich angelegte Löschteiche weiter ausgebaut und saniert werden. Eigentumsverhältnisse, unklare Zuständigkeiten und unterschiedliche Interessen behindern jedoch häufig diese für die Vorbeugung und sichere Bekämpfung von Waldbränden notwendige Maßnahme.

Über Renaturierungsmaßnahmen und Erdbewegungen in ganz anderen Größenordnungen berichtete Dr. Hannes Schimmer vom Dezernat 54.6 der Bezirksregierung Münster. Bei seinem „Einblick in andere Dimensionen: Best Practice bei WRRL-Renaturierungen an der Ems“ stellte er die im Rahmen von Entwicklung, Unterhaltung und Ausbau der Ems vorgenommene Reaktivierung des Altarms Hembergen vor. Bei der naturnahen Gestaltung dieses Emsabschnitts mit dem Ziel seiner eigendynamischen und weitgehend ungestörten Entwicklung sowie der angrenzenden Ufer- und Auenflächen in öffentlichem Eigentum wurden während der Bauzeit von 2016 bis 2019 rund 500.000 Kubikmeter Bodenmasse auf einer Länge von 2,3 Kilometern bewegt.

Im letzten Praxisvortrag stellte Projektleiter Dr. Sebastian Schmidt von der Bezirksregierung Münster schließlich das Integrierte LIFE-Projekt „Atlantische Sandlandschaften“ vor. Anhand der Maßnahmen im FFH-Gebiet Graeser Venn – Gut Moorhof im Kreis Borken und im NSG Bockholter Berge im Kreis Steinfurt wurden Planung und Umsetzung durch die Partner vor Ort – von Waldumwandlungsverfahren über wasserrechtliche Genehmigung und Abstimmung mit der Unteren Bodenschutzbehörde über Artenschutzprüfung bis zu Baugenehmigung und Verwertung des Bodenmaterials – erläutert.  Es wurde zudem darauf hingewiesen, dass die Kosten von Naturschutzmaßnahmen stark von der Verwendung von anfallendem Boden oder Schlamm abhängig sind und diese frühzeitig in der Planung berücksichtigt werden sollten. Darüber hinaus wurde berichtet, dass im IP-LIFE die Erfahrung gemacht wurde, dass Genehmigungsverfahren in der Praxis sehr unterschiedlich gehandhabt werden. Eine Einbindung aller Akteure in einem frühen Planungsstadium ist von großer Bedeutung, um Zeitpläne der Maßnahmenumsetzung entsprechend anpassen zu können.

In vier parallelen Workshop-Gruppen wurden am Nachmittag die Herausforderungen und speziellen Probleme bei der Planung und Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen diskutiert. Während es in einigen Gruppen einen eher losen Erfahrungsaustausch zu konkreten Fragestellungen gab, wurde in anderen anhand von theoretischen Fallbeispielen gemeinschaftlich der Planungs- und Umsetzungsprozess erarbeitet und im abschließenden Plenum noch einmal allen Teilnehmenden vorgestellt.

Herzlichen Dank an alle Mitwirkenden für Ihre Beiträge und die rege Teilnahme an der Veranstaltung!

Podium

In ihrem Vortrag zeigte Dr. Katrin-Nannette Scholz vom Umweltbundesamt einen Einblick in die kurz vor der Veröffentlichung stehende DIN 19731 und die damit verbundenen Änderungen für die Praxis. © Bezirksregierung Münster

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