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Projekt des Monats


#9/2022 FACHTAGUNG MIT WORKSHOP
Perspektiven für den Moorschutz in NRW

Gruppenfoto

Auch bei dieser Veranstaltung durfte natürlich ein Gruppenfoto mit der LIFE-Fahne nicht fehlen. © Bezirksregierung Münster

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Am 7. September 2022 führte das IP-LIFE Atlantische Sandlandschaften in Kooperation mit der Natur- und Umweltschutzakademie NRW (NUA) und dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) erneut eine Fachtagung durch. Die Veranstaltung diente dem direkten Erfahrungsaustausch aller interessierten Akteurinnen und Akteure und der Identifizierung zukünftiger Handlungsfelder für den Moorschutz in NRW. Rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten sich dazu in die NUA nach Recklinghausen begeben – größtenteils Kooperationsbeteiligte des IP-LIFE, daneben aber auch Beschäftigte von Biologischen Stationen und Unteren Naturschutzbehörden sowie von Planungsbüros aus anderen Regionen.

Nach den Grußworten von Ralf Schlüter, Leiter der Abteilung „Naturschutz“ im LANUV, folgte der live zugeschaltete Keynote-Vortrag von Dr. Greta Gaudig vom Greifswald Moor Centrum mit dem Titel „Zustand und Schutz von Mooren in Deutschland“. Sehr anschaulich und eindrucksvoll wurde darin ein umfangreicher Überblick über die Folgen von Entwässerung und erhöhtem Landnutzungsdruck auf Moorgebiete gegeben: Neben immensen Treibhausgas-Emissionen – weltweit resultiert rund ein Drittel der Emissionen aus Land- und Forstwirtschaft auf entwässerten Böden – stellt die Torfsackung mit ein bis zwei Zentimetern pro Jahr ein großes Problem dar, weil sie in einen „Teufelskreis“ mit immer tieferer Entwässerung führt. Um die Klimaziele noch erreichen zu können, ist ein rasanter Zuwachs von Wiedervernässungsmaßnahmen erforderlich, getreu dem viel-zitierten Motto der Greifswalder Forscher „Moor muss nass“. Anstelle der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung von entwässerten Moorböden mit hohem ökologischen Fußabdruck wäre der Rückzug der Tierhaltung, die Schaffung von Wildnisgebieten sowie eine Stärkung von Paludikulturen als nachhaltigere Nutzungsform von Mooren mit Torferhalt oder sogar Torfbildung dringend zu fördern. Statt der bisherigen Moorschutzprogramme mit Förderung von Einzelprojekten muss möglichst schnell ein Gesamtflächenansatz umgesetzt werden. Ein erster Schritt ist die neue Förderfähigkeit der Paludikultur auf EU-Ebene über die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP). Aber auch durch zusätzliche Honorierung von Ökosystemleistungen, beispielsweise durch Klimaschutzprämien oder Kohlenstoff-Zertifikate, könnte der erforderliche Umbau der Landwirtschaft gefördert werden.

Im folgenden Fachvortrag „Moorschutz in NRW“ erläuterte Dr. Tim Wertebach vom LANUV die aktuelle Situation im bevölkerungsreichsten Bundesland. Er zeigte, dass trotz erheblicher Anstrengungen des praktischen und behördlichen Naturschutzes die Situation der FFH-Moorlebensraumtypen im überwiegenden Fall weiterhin als ungünstig bewertet wird. Insbesondere durch den Klimawandel haben sich die Bedingungen für den angewandten Moorschutz erschwert, da deutliche Wasserdefizite während der Vegetationsperiode in den letzten Jahren vermehrt auftraten. Durch sinkende Grundwasserstände wird die Situation für grundwassergespeiste Moore und weitere Lebensräume kritischer. Auch die vielerorts in NRW immer noch deutlich zu hohen Stickstoffeinträge erschweren das Management der stickstoffempfindlichen Moorlebensräume. Durch das erfolgreiche Umsetzen von Maßnahmen des Naturschutzes, z. B. auch im Zuge der LIFE-Förderung, konnten aber weitere Verschlechterungen der Moore verhindert und in vielen Fällen sogar deutliche Verbesserungen erzielt werden. Synergien zwischen Natur- und Klimaschutz ließen sich dort am besten verwirklichen, wo naturschutzfachliche Kernflächen durch großräumigere Wiedervernässungsmaßnahmen gestützt werden können. Häufig ist hierzu eine Einzelfallbeurteilung im Rahmen hydrologischer Studien sinnvoll.    

Im letzten Fachvortrag der Vormittagsrunde erläuterte Prof. Dr. Klaus-Holger Knorr (Institut für Landschaftsökologie der WWU Münster) die Fragen, ob Moorschutz und Klimaschutz gleichzusetzen sind und welchen Effekt Moor-Renaturierungsmaßnahmen haben. Anhand zahlreicher Beispiele aus aktuellen Forschungsarbeiten in unterschiedlichen Regionen zeigte er auf, dass eine großräumige hydrologische Betrachtung bei Moorrenaturierungen erforderlich ist. Pufferzonen in den Einzugsgebieten von Mooren sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie die Verhältnisse im Grundwasserleiter, damit Maßnahmen wie das Setzen von Spundwänden oder das Bauen von Torfwällen erfolgreich sind. Die oberste Maxime ist, das Niederschlagswasser möglichst lange in der Fläche zu halten, damit sommerliche Defizite ausgeglichen werden können. Wie anhand von Fallbeispielen gezeigt wurde, können Moore dann auch langfristig wieder Kohlenstoff speichern. Zumindest ergeben sich aber deutliche Einsparungen von Treibhausgasemissionen aufgrund der höheren Wasserstände. Durch die Wiedervernässung kann die Torfzersetzung somit effektiv reduziert werden. Die moortypische Vegetation, die zur Torfbildung nötig ist, kann durch die Übertragung von geeignetem Spendermaterial gefördert werden. 

Christian Finke von der Biologischen Station Kreis Paderborn - Senne eröffnete nach der Mittagspause die beiden Vorträge aus der Praxis. In seinem rund 20-minütigen Vortrag berichtete er über die Erfahrungen aus dem LIFE+ Projekt „Eggemoore“, das die Biologische Station Kreis Paderborn – Senne, das Regionalforstamt Hochstift des Landesbetriebes Wald und Holz NRW und das Umweltministerium NRW gemeinsam in den Jahren 2013 bis 2019 umgesetzt haben. Im Rahmen des Projektes wurden in zwei Gebieten des NATURA 2000-Netzwerkes in der Stadt Lichtenau (Kreis Paderborn) Verbesserungsmaßnahmen durchgeführt: im FFH-Gebiet „Eselsbett und Schwarzes Bruch“ und im FFH-Gebiet „Sauerbachtal Bülheim“. Dabei ergaben sich jedoch einige Schwierigkeiten. So mussten beispielsweise andere als die ursprünglich geplanten Bauwerkstypen verwendet werden. Zudem konnte die Umsetzung nicht durch den Projektpartner erfolgen, sondern musste an einen Unternehmer vergeben werden. Schließlich war der beabsichtigte Flächenankauf nicht möglich, allerdings konnten stattdessen angrenzende Flächen erworben werden. All dies machte eine Verlängerung der Projektdauer erforderlich. Als Resümee zeigte sich auch hier, dass sich die LIFE-typische isolierte Betrachtung von Lebensraumtypen und FFH-Gebieten in der Umsetzung als unzureichend erwies und vielmehr das komplette Einzugsgebiet der zu vernässenden Flächen in den Planungen berücksichtigt werden muss. Hierzu gibt es bereits Ansätze der Biologischen Station, die auf den bisherigen Erfahrungen aufbauen.

Anschließend berichtete Dirk Esploer, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter der Biologischen Station Minden-Lübbecke, über die Erfahrungen aus dem Großen Torfmoor bei Lübbecke. Hier waren durch den NABU Kreisverband Minden-Lübbecke im Rahmen eines LIFE-Projektes von 2003 bis 2008 gezielte Renaturierungsmaßnahmen durchgeführt worden, durch die eine weitgehend gehölzfreie und wiedervernässte Kernzone mit ausgedehnten Moorgewässern, Regenerationsstadien von Hochmoorgesellschaften und Glockenheide-Feuchtheiden entstanden ist. Die weitere Pflege des Gebietes wird seither durch die Biologische Station unter anderem durch Schafbeweidung gewährleistet. Daneben sind immer wieder stellenweise Gehölze zu entfernen, weitere Gräben zu verschließen oder Verwallungen nachzuarbeiten. Insgesamt gestaltet sich das Management des Gebietes dadurch sehr aufwändig. Die zukünftige Pflege und regelmäßige Nachbesserungsarbeiten müssen in der Planung von Renaturierungsprojekten deshalb ausreichend berücksichtigt werden. Auch Personal- und Finanzmittel müssen in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen, um die anspruchsvollen Aufgaben dauerhaft erledigen zu können.

Mit einem rund einstündigen Worldcafé zur Moorrenaturierung wurde der Workshop-Teil der Veranstaltung durchgeführt. Nach einer kurzen Vorstellung der Methodik verteilten sich die Teilnehmenden immer wieder zufällig auf die drei Stellwand-Orte und diskutierten dort angeregt die Aspekte „Herausforderungen bei der Planung“, „Herausforderungen bei der Umsetzung“ und „Wünsch Dir was – was würde wirklich helfen“.  Wenig überraschend wurde der akute Bedarf an Geld und Personal wiederholt in den Diskussionen geäußert. Vor allem die Planung von Moorschutzmaßnahmen sowie eine fachgerechte Umsetzung erfordern ein starkes Engagement der Akteure. Oftmals sind dabei hohe bürokratische und technische Hürden zu überwinden. Vor diesem Hintergrund wurde die Notwendigkeit für einen regen Erfahrungs- und Wissensaustausch besonders von den Teilnehmenden hervorgehoben. Bei der Vergabe von Gutachten gibt es häufig Unsicherheiten, die durch den Erfahrungsaustausch und Empfehlungen zur „Best Practice“ ausgeräumt werden können. Erfahrungen in der technischen Umsetzung von Wiedervernässungsmaßnahmen sowie im begleitenden Monitoring konnten ebenfalls geteilt werden. Aber auch Hemmnisse wie die Flächenverfügbarkeit wurden benannt und in Bezug auf Lösungsansätze diskutiert.

Im Anschluss wurde ein Video-Vortrag von Jannik Bosse vom BUND Diepholzer Moorniederung gezeigt. Er erläuterte darin sehr anschaulich die Verwendung von verschiedenen Spundwandtypen in der Hochmoorrenaturierung. Dabei verwies er auf die Erfahrungen aus dem Oppenweher Moor im Rahmen des IP-LIFE Atlantische Sandlandschaften sowie aus dem Neustädter Moor.

Herzlichen Dank an alle Mitwirkenden für Ihre Beiträge und die rege Teilnahme an der Veranstaltung!

Powerpoint Präsentation

Dr. Tim Wertebach vom LANUV erläuterte in seinem Vortrag „Moorschutz in NRW“ die aktuelle Situation im bevölkerungsreichsten Bundesland. © Bezirksregierung Münster

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