Die Moderierenden der Veranstaltung, Saskia Helm (NUA) und Dr. Sebastian Schmidt (Bezirksregierung Münster) auf der in der NUA aufgebauten Bühne. © Dr. Martina Raffel/Bezirksregierung Münster
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Projekt des Monats
# 10/2021 ONLINE-TAGUNG ZUR PROJEKTHALBZEIT
Natura 2000 im Klimawandel – Schutzziele und -maßnahmen in einem sich verändernden Klima
Am 30. September – passend zum „Bergfest“ des Projektes – führte das IP-LIFE in Kooperation mit der Natur- und Umweltschutzakademie NRW (NUA) eine Online-Tagung durch. Die Veranstaltung, in der der Einfluss des Klimawandels auf die Festlegungen von Natura2000 diskutiert werden sollte, diente als „Halbzeit-Konferenz“ zugleich dem Erfahrungsaustausch aller Projektbeteiligten und Interessierten. Rund 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten sich dazu angemeldet. Laut Online-Umfrage stammte die Mehrzahl aus NRW (60 %), aus Niedersachsen schauten 27 Prozent und aus anderen Bundesländern 12 Prozent der Teilnehmenden zu. Sie ordneten sich ferner überwiegend dem ehren- oder hauptamtlichen Naturschutz (40 %), einer Landesbehörde (23 %) oder einer kommunalen Behörde oder Stadtverwaltung (20 %) zu.
Nach den Grußworten von Dr. Christoph Leifer, stellvertretendem Abteilungsleiter der Abteilung III Forsten, Naturschutz im Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, und Ingelore Hering, Abteilungsleiterin Naturschutz, Wasserwirtschaft, Bodenschutz im Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz, folgte eine kurze Projektvorstellung des IP-LIFE durch Projektleiter Dr. Sebastian Schmidt von der Bezirksregierung Münster.
Die drei folgenden Fachvorträge wurden von Prof. Dr. Marianne Darbi, die an der Hochschule Geisenheim eine Professur für Landschaftsplanung und Eingriffsfolgenbewältigung am Institut für Landschaftsplanung und Naturschutz innehat, eröffnet. In ihrer rund 30-minütigen Präsentation brachte sie sehr gut auf den Punkt, wie das Klima unsere Landschaft und biologische Vielfalt verändern wird und stellte Möglichkeiten der Steuerung vor.
Einen Praxisbericht aus einem LIFE-Projekt, das in starkem Maße dem Klimaschutz dient, präsentierte Susanne Brosch vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten und Naturschutz (NLWKN). Als Projektleiterin vom LIFE+ Projekt „Hannoversche Moorgeest“ in Niedersachsen erläuterte sie, warum Hochmoorschutz und -renaturierung zugleich Klimaschutz ist. Der entscheidende Faktor für die Klimarelevanz der geplanten Maßnahmen sind die Grundwasserflurabstände. Eine effektive CO2-Bindung kann nur erfolgen, wenn diese zwischen 0 und -10 Zentimetern betragen.
Aus einer ganz anderen Perspektive wurde das Thema im Vortrag von Jochen Schumacher vom Institut für Naturschutz und Naturschutzrecht Tübingen beleuchtet. In seiner Präsentation mit dem Titel „Rechtssicherheit bei der Umsetzung von Förderrichtlinien“ wurden die juristische Aspekte der Frage, inwieweit Schutzziele und Managementpläne flexibel an sich ändernde Verbreitungsgebiete und weitere Prozesse angepasst werden, dargelegt. Insbesondere das Verschlechterungsverbot wurde in der anschließenden Diskussion erörtert. Um den Folgen des Klimawandels gerecht zu werden, wird es vielfach einer Überprüfung von Schutzzielen, Managementplänen oder Verboten und Erlaubnissen in bestehenden Schutzgebieten bedürfen.
In der anschließenden Expertenrunde stellten die drei Experten – Frank Vassen von der EU-Kommission (Unit ENV,D3 – Nature Protection), Dr. Axel Ssymank vom Bundesamt für Naturschutz (Fachbereich II, Fachgebiet II 2.2 FFH-Richtlinie / Natura 2000) und Dr. Michael Luwe vom MULNV NRW (Referat III-4 Biodiversitätsstrategie, Artenschutz, Habitatschutz, Vertragsnaturschutz) – zunächst sich und ihre Arbeitsbereiche vor und beantworten die Fragen der Moderatoren und aus dem Teilnehmenden-Chat. An Frank Vassen richteten sich insbesondere Fragen zu der EU-Biodiversitätsstrategie 2030 und dem „Green Deal“, zu EU-Vorgaben und den Unterschieden von Integrierten LIFE-Projekten und den künftigen sogenannten SNAPs. Axel Ssymank erläuterte die Sichtweise von der nationalen Ebene her, während Michael Luwe die Umsetzung der FFH-Richtlinie aus der Praxis eines Bundeslandes betrachtete. Im Chat wurden vornehmlich Fragen zum Thema Waldumwandlung, Wiedervernässung von Mooren und möglichen Konsequenzen einer Verschlechterung des Erhaltungszustandes für Fördernehmer angesprochen.
Den Abschluss des offiziellen Programms bildete Poetry Slammer Lars Ruppel mit einem gelungenen Poetic Recording . Im offenen Chat und virtuellen Konferenzraum trafen sich anschließend noch zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer für persönliche oder Gruppengespräche.
Herzlichen Dank an alle Mitwirkenden für Ihre Beiträge und die rege Teilnahme an der Veranstaltung!
Poetic Recording
Dies ist kein Gedicht
Es ist vielmehr ein Brief
Ich schreib dir darin
Wie das Seminar verlief
Es fand damals im Frühherbst
Im Internet statt
Ich schreib dir aus Frankreich
Vor dem Fenster das Watt
Er erreicht dich zur Halbzeit
Nach 5 Jahren Projekt
Das sich von der schleswig-holsteinischen Geest
Bis zum Niederrheinischen Tiefland erstreckt
Ich schreibe dir
Um von den Erfolgen zu erzählen
Von den vernetzten Akteuren
Und den behobenen Schäden
Von den 150 Maßnahmen
Allein in Niedersachsen
Von Sonnentau-Exemplaren
Die hier wieder wachsen
Von verfügbaren Flächen
und neidischen Blicken
Vom Netzwerk, an dem die
Projektpartner stricken
Vom Wilseder Berg
Den man gemeinsam erklomm
Und die Vorfreude auf das,
Was alles noch kommt
Von Modellen verschiedener Länder
Und ob man sie übernimmt
Von den Einblicken
Die man aus anderen Ländern gewinnt
Vom Naturschutz
Und dem dafür notwendigen Optimismus
Von unpopulären Maßnahmen
Die man halt angehen muss
Für jeden Tropfen Wasser
Den es gilt zu halten
Die Zukunft ist lebenswert
Doch man muss sie gestalten
Wegen den Tortendiagrammen
Und den roten Bereichen
Von den kurzfristigen Maßnahmen
Und den gestellten Weichen
Von 433 Hektar Renaturierungspotential
In der Hannoverschen Moorgeest
Es geht um Gesetze, so erklärt
Dass du sie verstehst
Wie das Gesetz Erhaltungsziele
Feststeckt
Und der Verträglichkeitsprüfung
Für jedes Projekt
Vom Verschlechterungsverbot
Und dem Versprechen Green zu Dealen
Von den durch den Wandel verschobenen
FFH-Richtlinien
Von dem Ist-Zustand
Und einer Zukunftsvision
Von der Implementierung
Und der Gesamtkonzeption
Dieser Brief hat leider
Auch eine traurige Note
Da geht es um schon so oft
Verwendete Worte
Wie Meeresspiegelanstieg
Und Wetterextremen
Von Schäden an wertvollen
Ökosystemen
Von den Kirschlorbeerbüschen
Die Privatgärten verzieren
Und dem Strandflieder
Den wir vielleicht für immer verlieren
Von unaufhaltbaren Veränderungen
Trotz Bemühungen der UNB
Von Anpassungen des Standardbogens
Und einem aufgegebenen LRT
Von vielen vertrockneten
Fichtenlandschaften
Vom Klimawandel
Den viele Systeme nicht mehr verkraften
Von feuchtwarmen Wintern
Und Sommersonnenbrand
Von unabsehbaren Folgen
Fürs Land
Von vertrockneten Mooren
Und gerissenen Lücken
Verlandeten Teichen
Und Erlenbruchstücken
Dieser Brief sagt dir danke
Für den bisherigen Weg
Für den Hoffnungsschimmer
Der im dunklen Himmel entsteht
Von den kleinen Schritten
Mit denen man lange Strecken geht
Von Zeichen, die sich ändern
Und vom Wind, der sich dreht
Es geht nicht nur um Landschaften
Was man so gerne vergisst
Es geht darum, dass der Klimawandel
Unsere Grundlagen frisst
Und dass das, lieber Politiker
Der so wirtschaftsnah ist
Das direkt deine geliebte
Wirtschaft betrifft
Dieser Brief soll auch
Eine Erinnerung sein
Vielleicht schaust du mal
In auch erst fünf Jahren hinein
Und dann erinnerst du dich
An dieses Seminar
Zur Halbzeit des Projektes
An alles was war
Und wenn man dann das damals
Mit heute vergleicht
Dann wird man erkennen
All das wurde erreicht
Und zum Quaken der Knoblauchkröte
Gehst du durch Borstgrasrasen spazier’n
Setzt dich hin und nimmst
Stift und Papier
Siehst Froschkraut
Über einen Heideweiher treiben
Und beginnst das nächste Kapitel
Dieser Geschichte zu schreiben
Lars Ruppel, Poetry Slammer